Bei meinem Besuch in Amed Scuba hatte
ich mehrmals die Gelegenheit mit Made Putu den Kindergarten in Seraya
Timur zu besuchen, in welchem sie ehrenamtlich arbeitet.
In diesem Post möchte ich gerne meine
Erfahrungen hierzu schildern.
Der Kindergarten wurde vor rund 8
Jahren mit Hilfe von Spendengeldern und Sponsoren aufgebaut, um den
Kinder aus armen Familien eine Bildungschance zu ermöglichen und
ihnen abseits der Strasse einen sicheren Ort zum Spielen zu geben. Er
ist etwa 30 Minuten Motorradfahrt von Amed entfernt und befindet sich
auf einem Hügel in einem kleinen Gebäude mit zwei abgetrennten
Räumen. Es gibt zwei grosse Tische, an denen jeweils etwa 15 Kinder
sitzen. Im Gebäude gibt es keinen Strom, dank den Fenstern an der
Wand strömt aber tagsüber trotzdem genügend Licht hinein. Das Dach ist
strohgedeckt, der Boden ist aus schmutzigem Beton. Das Schulzimmer
ist mit Papiergirlanden und Zeichnungen der Kinder dekoriert.
Ansonsten hat es kein Inventar wie beispielsweise Spielsachen, welche
in westlichen Kindergärten nicht wegzudenken sind. Das Schulzimmer |
Made Putu, Wayan Yunik und Kadek Anggreni |
Warten auf die Opfergabe |
Made Putu erklärt |
Danach werden Arbeitsblätter verteilt, auf denen paar Mal der Buchstabe „A“ geschrieben ist und die nun von den Schülern vervollständigt werden sollen. Die Arbeitsblätter sind jedoch keine Kopien, sondern werden von den Lehrerinnen jeweils einzeln gezeichnet. Die Kinder machen sich sofort an die Arbeit und im Minutentakt rufen sie „Ibu, Ibu“, was Lehrer heisst, und buhlen so um die Aufmerksamkeit der Kindergärtnerinnen, um ihnen ihre Arbeit zu zeigen. Die Kindergärtnerinnen machen die Runde und helfen wo nötig. Die älteren Kinder können die Aufgabe meistens problemlos meistern, während die Jüngsten nur konzentriert auf das Blatt kribbeln, was für Dreijährige auch nicht weiter verwunderlich ist. Nachdem die meisten das Blatt vollgeschrieben haben, werfen die Lehrerinnen einen kurzen Blick drauf, und je nach dem, wie gut und selbstständig die Aufgabe gemacht wurde, werden sie mit einem oder zwei Sternen gekennzeichnet.
Die fleissigen Mädchen |
Hat einer der älteren
Schüler wirklich Probleme mit einer Aufgabe, so muss er diese
als Hausaufgabe auf den nächsten Tag wiederholen. Nach der Korrektur
kriegt jedes Kind eine (wieder handgezeichnete) Vorlage mit einem
Apfel drauf, welcher in bestimmten Farben angemalt werden soll.
Auffallend bei den Schülern ist, dass die Jungs viel wilder und
oftmals weniger konzentriert als die Mädchen daherkommen. Die
Mädchen scheinen viel mehr Lernbereitschaft an den Tag zu legen und
sind vergleichsweise ruhig. Die Jungs schreien herum, machen Sprüche
und tollen so lange im Schulzimmer herum, bis dass die mahnende
Stimme der Lehrerinnen sie zurück zum Platz bugsiert. Nachdem alle
ihre Zeichnung fertig haben, müssen sie ihre Arme auf dem Pult
verschränken und warten, bis dass Made Putu das Frühstück, welches
aus einer kleinen Tüte Chips und einem süssen Saft besteht,
austeilt. Das Frühstück kostet 1000 Rupien, was nicht einmal 10
Cent entspricht. Putu erklärt mir, dass es aber vorkommen kann, dass
manche Eltern nicht einmal das Geld dazu aufbringen können. Nachdem
alle ihr Frühstück vor sich haben, falten sie ihre Hände,
schliessen die Augen und beten. Sie danken den Göttern für diese
Mahlzeit. Ein kleiner Junge betet jeweils vor, die anderen Kinder
wiederholen das Gesagte. Putu erzählt mir, dass dieser Junge einmal
„Holy Man“ werden wird, und schon jetzt das Vorbeten üben muss.
Es gibt eine Rutsche, ein
Klettergerüst und ein paar Schaukeln. Die Jungs stürzen sich sofort
auf die verschiedenen Geräte, während die Mädchen eher gehemmt an
die Sachen herangehen. Ein paar der Mädchen setzen sich auch einfach
auf den Boden und reden. Als ich die Kinder bitte, sich für ein Foto
hinzustellen, tun sie dies voller Freude und als ich ihnen die Fotos
nachher auf meiner Kamera zeige, sind sie begeistert und drücken mit
ihren dreckigen Fingern auf dem Bildschirm.
Nach etwa 45 Minuten müssen
die Kinder zurück ins Zimmer und eine Lehrerin erklärt noch einmal
etwas an der Tafel. Danach wird wieder gesungen. Um Zehn Uhr ist die
Schule zu Ende und alle schütteln den Lehrerinnen die Hand und
führen diese dann an ihre Stirn. Kaum aus der Tür, sind auch schon
alle abgezischt.
Mein Senf;
Putu arbeitet wie die beiden
anderen Lehrerinnen freiwillig jeden Tag von 7.30 Uhr bis 10.00 Uhr.
Kindergärtnerin ist auch in Indonesien ein typischer Frauenberuf,
welcher in staatlichen Schulen auch gut bezahlt ist. Jedoch muss man
sich seine Stelle an der Schule zuerst erkaufen, was rund
200Millionen Rupien kostet, ein Betrag den sich die meisten Leute
nicht leisten können. Es wird also nicht aufgrund der Fachkompetenz
der potentiellen Lehrer entschieden, sondern an deren Zahlkraft. Die
Hindu-Religion mit ihren zahlreichen Zeremonien ist hier in Bali
omnipräsent. Es wird sehr viel Geld in die verschiedenen Zeremonien
und Feste gesteckt, und ich habe das Gefühl, dass sich die Leute
hier, die sowieso schon finanziell nicht sehr gut gestellt sind, sich
damit noch selbst ins Bein schiessen. Geld, welches man für die
Bildung der Kinder einsetzen könnte, wird in zahlreiche Religiöse
Feste gesteckt. So kommt es auch vor, dass an einem Tag wegen einem
Tempelfest nur fünf von sonst über dreissig Kinder erscheinen.
Den Kindergarten finde ich
eine sehr gute Sache, denn Bildung ist der Weg aus der Armut. Wenn
aber Religiöse Feste die Kinder von der Schule abhalten und die
Schulden der Eltern, die sie sich wegen Zeremonien aufhalsen mussten,
die Kinder daran hindern, zur Schule zu gehen, so funktioniert das
System natürlich nicht. Dass es viel mehr Jungs als Mädchen im
Kindergarten hat, kommt nicht von ungefähr. Wenn eine Familie
mehrere Kinder hat, und das Geld nicht ausreicht, um allen Kindern
eine Ausbildung zu ermöglichen, so bleibt den Mädchen oft die
Schule verwehrt. Dies liegt daran, dass die Mädchen nach der Heirat
ab sofort der Familie des Mannes angehören. Wenn man also die Wahl
hat, so ist es finanziell klüger, die Jungs zur Schule zu schicken,
sodass das Geld, welches sie nach der Ausbildung verdienen werden,
auch in der Familie bleibt. Die ganze Bildungsproblematik fängt also
schon bei der schlechten Stellung der Frau an.
Was ich an diesem
Kindergarten konkret aufgefallen ist, ist das trotz des jungen Alters
der Kinder, schon relativ viel Stoff durchgenommen wird, welcher man
eigentlich erst ab der ersten Klasse lernt. Ich weiss nicht, wie viel
die Kinder davon wirklich profitieren können, vor allem da kein
Lernplan und keine Lehrbücher vorhanden sind. Jedoch erklärte mir
Putu, dass wenn die Kinder im Kindergarten nichts lernen, sondern nur
singen und spielen, die Eltern keinen Grund sehen, ihre Kinder in den
Kindergarten zu schicken. Wie viel die einzelnen Kinder von der
Schule profitieren können hängt auch vom Einsatz der Eltern ab.
Verweigern sie den Kindern Unterstützung bei den Hausaufgaben, oder
ermutigen sie sie nicht, zu lernen, so ist es für das Kind ein viel
grösseres Hindernis. Auffallend ist ebenfalls, dass man nie
irgendwelche Spiele in der Gruppe macht, sondern entweder die
Aufgaben in Einzelarbeit oder halt draussen spielen. Ich bin mir
sicher, dass der Kindergarten eine gute Sache ist, der den Kindern
Abwechslung verschafft und die Gelegenheit gibt, etwas zu lernen.
Doch die ganze Bildungsproblematik reicht viel tiefer und fordert
erst mal ein Umdenken in den Köpfen der Menschen.
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